Bücher Kermeter
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Deutsche Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie
Entomologentagung in Bayreuth, 18. März 1997

Laudatio für Frank Köhler zur Auszeichnung 
mit dem Förderpreis der Ingrid Weiß-Horst Wiehe-Stiftung
Bernhard Klausnitzer

Der Förderpreis der Ingrid Weiß - Horst Wiehe - Stiftung wird erstmals verliehen, eine Premiere also im Gegensatz zur altehrwürdigen Geschichte der Fabricius- und der Escherich-Medaillen. 

Der erste Preisträger heißt Frank Köhler, geboren am 5. März 1962, verheiratet mit Dipl.-Ing. agr. Waltraud Fritz-Köhler und Vater von zwei Kindern, Diplom-Volkswirt nach Studium der Wirtschaftswissenschaften und Soziologie, speziell der Wissenschaftssoziologie an der Universität Köln (1983-1988). Auf diesem Gebiet liegt auch die Diplom-Arbeit zum Thema "Amateurwissenschaft: Entwicklung, Beschreibung und wissenschaftssoziologische Analyse am Beispiel der Koleopterologie". Seit Anfang der achtziger Jahre befaßt er sich mit der Coleopterologie. Seitdem hat er sich autodidaktisch so gründlich in dieses Wissensgebiet eingearbeitet, daß er heute zu den besten Kennern der mitteleuropäischen Käfer gehört. Seine bevorzugten Arbeitsgebiete sind die Faunistik und Ökologie der rheinischen Käfer, deren Inventarliste er alljährlich durch zahlreiche, teils in Deutschland oder Mitteleuropa erstmals nachgewiesene Arten bereichert. Außerdem ist Frank Köhler ein gesuchter Determinator für zahlreiche Diplom-Arbeiten und Dissertationen. Er hat bisher 57 koleopterologische Arbeiten mit über 1.000 Druckseiten publiziert, 9 befinden sich im Druck, weitere in Vorbereitung, darunter ein zweites Naturwaldzellen-Buch "Totholzkäfer in 10 Reservaten des nördlichen Rheinlandes". Hinzu kommt das für die Verleihung des Förderpreises ausschlaggebende Buch. 

Schon seit frühen Jugendtagen fasziniert ihn die Entomologie. Zuerst kamen die großen kleinen Schritte, bei denen ihm Klaus Koch Helfer und Leuchtfeuer war. Bald zeigte sich eine ganz spezielle Begabung: die Speicherfähigkeit für tausende lebende Habitusbilder in all' ihrer Variabilität; die Fähigkeit, diese Bilder zu Gemälden zusammenzufügen in seltener Vollständigkeit der Komposition, und es entstanden zuerst kleinere, später größere faunistische Bilder, die immer mehr ökologische Nuancen erhielten. Schließlich wurde ein Buch geboren, in dem Faunistik, Ökologie, Experimentierfreude und angewandte Aspekte eine glückliche Synthese eingingen: das Werk "Käferfauna in Naturwaldzellen und Wirtschaftswald" entstand. Herausgegeben von der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten Nordrhein/Westfalen erschien es 1996, 283 Seiten dick, mit 168 Abbildungen und Diagrammen, 76 Tabellen sowie 69 Farbfotos. 

Warum wurde gerade dieses Buch als preiswürdig ausgesucht, was ist das besondere? Zunächst besticht die gediegene Solidität, die perfekte Darstellung, die umfangreichen Faunenlisten (1218 Arten, darunter nahezu 100 Neu- und Wiederfunde für die Eifel), die Phantasie in der Interpretation der Ergebnisse (insbesondere die Erfassung von Vergesellschaftungen), mit der vor allem das brennend aktuelle Thema "xylobionte Coleoptera" vor dem Hintergrund der ebenfalls aktuellen Bemühungen um die Erforschung von Naturwaldzellen und deren Vergleich zu Wirtschaftswäldern variiert wird. Die Untersuchungen beschränken sich nicht nur auf eine vergleichende, rein taxonomische Erfassung der derzeitigen Käferfauna beider Waldsysteme, sondern es wurde erstmals ein Konzept entwickelt, um Analysen des Istzustandes von Naturwaldzellen und Wirtschaftswaldflächen durchführen zu können. Damit wird die Voraussetzung gegeben, naturnahe Behandlungsstrategien für die unterschiedliche Weiterentwicklung solcher Flächen zu ent wickeln. Im Zuge der Durchführung der Untersuchungen wurde auch ein differenziertes Methodenkonzept für faunistisch-ökologische Langzeitstudien entwickelt und erprobt. 

Frank Köhler hat sich darüber hinaus noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen - einen Vergleich von Methoden (herangezogen werden die gewonnenen Arten- und Individuenzahlen, die methodenspezifischen Artnachweise, Artensummenkurven und Habitatpräferenzen), der das Werk über die exakte Darstellung der unmittelbaren Ergebnisse im Waldreservat Kermeter in der Nordeifel hinaus zu einer essentiellen Lektüre für alle jene werden läßt, die heutzutage Erhebungen von totholzbewohnenden Käfern (in ihrer Differenzierung als lignicole, corticole, xylodetriticole und mycetobionte Arten, einschließlich der boden- und pflanzenbewohnenden Käfer des Waldes) durchführen wollen. 

Kaum ein Gebiet ist in der Methodologie freilandentomologischer Arbeiten so umstritten wie gerade das in Rede stehende. Natürlich gibt es keinen Stein der Weisen in diesem Thema, keine der Barber-Falle, der Malaise-Falle, dem Berlese-Apparat vergleichbare weithin anerkannte Methode, Frank Köhler schenkt uns aber einen Effizienz-Vergleich zwischen einigen einschlägigen feldökologischen Methoden, der bisher fehlte. Stammeklektoren, Fensterfallen, Flugköderfallen, Bodenköderfallen, Farblufteklektoren, Leimringe und manuelle Aufsammlungen (Quadratproben aus der Bodenstreu, Bodengesiebeproben, Kescherfänge in der Krautschicht, Klopfschirmfänge an lebendem und totem Holz, Totholzgesiebe, Handfänge) werden miteinander verglichen. Am Schluß steht keine Köhler-Falle und das beruhigt (wenngleich manche Fallen von ihm entwickelt oder modifiziert wurden: so die Bodenrinnenfallen, Fensterfallen, Flugköderfallen mit Taubenmist, Bodenköderfallen, Farblufteklektoren und Leimringe). Am Schluß steht vielmehr die Erkenntnis, daß mit Sieben und Klopfen und einem wachen Auge (in Kombination mit einfachen Fallen, z. B. Fensterfallen und Totholz-Leimringen) das meiste zu holen ist, die vollständigste Übersicht erreicht werden kann (immerhin wurden über 90 % aller im Gebiet möglichen Arten auf diese Weise nachgewiesen!): 

  • eine Labsal zu Zeiten zunehmender Mechanisierung der Entomologie, 
  • eine Freude andererseits, weil klassische Methoden standardisiert wurden und damit nicht nur reproduzierbar, sondern sogar übertragbar und befehlbar wurden. 
  • ein Trost, weil Individualität gebraucht wird, Individualität, die in der Entomologie eine so große Tradition hat und der wir wesentliche Grundlagen unseres Faches verdanken. 
So empfinde ich es als ein Glück, daß wir heute einem Entomologen gratulieren können, der einen Teil der Grundlagen unserer Wissenschaft verbessert hat, einen brüchigen Baustein erneuert, damit das Fundament stabilisiert und daß dieser Forscher neue Gedanken eingebracht hat. - Es erübrigt sich fast, sollte aber nicht unerwähnt bleiben, die praktische Bedeutung des Werkes ist eminent: naturnahe Waldbewirtschaftung, Sukzessionen in Naturwaldzellen, Artenvielfalt in Waldökosystemen und Naturschutz sollen als Stichworte genügen. 

Wir wünschen Frank Köhler viel Glück und Freude bei seinen weiteren Arbeiten, ihm und uns allen noch manche entomologische Überraschung, denn für Überraschungen ist er stets gut, nicht nur gut, auf seinem Gebiet ist er einer der besten. 

Prof. Dr. Bernhard Klausnitzer, Lannerstraße 5, D-01219 Dresden
in: Mitt. Arb.gem. Rhein. Koleopterologen (Bonn) 7 (1997), 52-56.
gleichlautend in: Mitt. Dtsch. Ges. allg. angew. Ent. (Giessen) 11 (1997), 21-22.

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